A: KIOSK am MARKTPLATZ
Rothenburgsort 16:30
Terrasse vor dem Kiosk, Sonnenschirme, Holzboden, Kissen zum Sitzen
Innenhof eines Neubau Wohnblocks mit Geschäften im Erdgeschoss
Schild an der Terrasse „Betreten auf eigene Gefahr“, es wird Bier getrunken
2 Gruppen sind außer mir noch da, links Gruppe 1 mit Menschen zwischen 30 und 40 Jahren, rechts Gruppe 2 mit 50 – 65 Jahren
ein Mann im Rollstuhl auf einem Balkon beobachtet den Platz
das WDVS des Blocks sieht schon alt aus, das weiß hat viele graue Streifen
Leute kommen und gehen die ganze Zeit
ein Mann sagt „Wir bleiben heute bis 10 Uhr hier“
eine Frau winkt den Sitzenden zu, dann sagt sie „moin“ zum Mann auf dem Balkon
eine alte Frau hilft einer jüngeren Frau ein Dokument auszufüllen
der Sohn einer Person aus Gruppe 1 kommt vorbei, sein Vater sitzt hier
Gesprächsthemen: Fahrräder knacken, Fahrradfahrer überfahren, Gesundheit
DM-Mode hat Auslagen vor dem Schaufenster
ein Mann holt ein Paket ab
ein Mann kommt vorbei und fragt nach dem Wetter
ein Mann von Gruppe 2 geht, alle sagen bis morgen
in Gruppe 1 wird darüber gesprochen wie die Terrasse in Eigeninitiative der Besucher sauber gehalten wird
der Himmel ist klar, aber es wird dunkler
die Bäckerei hat schon zu, hin und wieder stehen Leute davor
eine Person aus Gruppe 2 sieht aus wie auf Polarexpedition
in Gruppe 2 wird mehr Kaffee als Bier getrunken
16:50 Gruppe 2 erhebt sich, sie gehen in den Kiosk zum Aufwärmen, dann nach Hause
auf einer Bank vor dem Kiosk sitzt eine Bronze-Figur, ein Kind spielt mit ihr
im Betreuten Wohnen tritt eine Person ans Fenster
ein Mann grüßt Bekannte über den halben Platz
16:53 die Leuchtschilder gehen an
eine Mutter probiert bei DM-Mode Kleider an
17:01 Gruppe 1 erhebt sich, morgen treffen sie sich wieder
eine alte Frau setzt sich mit einem Stuhl ans Fenster und sieht auf den Platz
der Mann aus dem Accessoire Laden geht zu DM-Mode, sie unterhalten sich
Fahrräder, die vorbei fahren haben jetzt das Licht an
17:07 der Mann auf dem Balkon wird in die Wohnung gerollt
der Mann von DM-Mode geht in die Änderungsschneiderei, kurz darauf gehen beide in den Accessoire Laden
eine Frau läuft vorbei und hustet stark
ein Mann betritt den Kiosk, sein Fahrrad lässt er unabgeschlossen davorstehen
ein Mann der Zigaretten gekauft hat setzt sich zum Rauchen auf die Terrasse
der Wind wird stärker, die Schirme fangen an zu flattern
eine alte Frau mit Rollator betrachtet die Auslagen bei DM-Mode
es wird immer dunkler, auf dem Marktplatz gibt es keine Laternen
der Rauchende fängt an Videos auf seinem Handy anzuschauen
es wird kälter
die alte Frau beginnt mit dem Verkäufer von DM-Mode ein Verkaufsgespräch, eine weitere Frau mit Rollator kommt dazu
es hat jetzt unter 9 °C
2 Hundehalter kaufen Kaffee und setzen sich vor den Kiosk auf zwei Stühle, nicht auf die Terrasse
auf einem französischen Balkon mit vielen Blumen geht eine Disco-Glühbirne an
einer der größeren Balkone ist deutlich dicker konstruiert als die darüberliegenden
die Ladenbesitzer Mode, Schneiderei und Accessoires sind wieder alle vor den Läden und unterhalten sich
es ist fast dunkel, der Platz wird durch das Licht der umliegenden Läden beleuchtet
ein Mann mit Kinderwagen läuft auf und ab
das Kommen und Gehen der Menschen bleibt konstant
eine Frau kommt tanzend aus Mäc Geiz, sie ist dort schon eine Weile und spricht mit Leuten
17:45 die Hundehalter brechen auf
17:55 wegen der Kälte beende ich die Aufzeichnung
B: BÄCKEREI und RESTAURANT CAGLAR
Wetter: Kühl und nass
Was ist zu sehen?
Lebensmittel – Getränkeflaschen aus Plastik und Glas stehen in einem offenen Kühlschrank. Ich kenne nur wenige der 16 verschiedenen Marken beim Nahmen die dort stehen (Coca-Cola, Fritz Cola, Fanta, Red Bull). Sie sind aber zu weit weg, um ihre Namen lesen zu können. Der Kühlschrank ist etwa 20 Meter entfernt und mir direkt gegenüber. Rechts davon beginnt eine Theke, die sich der Wand entlang fast bis zu meinem Tisch zieht. Die Theke ist in 3 Abschnitte unterteilt: Küche, Kassa, Gebäckwarenauslage. In der Auslage liegen verschiedene türkische Plunder- und Teigwaren. Sie sind entweder ohne Belag oder mit Sesam, Mohn, Kokos- oder Schokostreuseln bestreut. Außerdem gibt es einige Tortenstücke, die mit Schlagobers dekoriert sind. An der Wand entlang gibt es Verpackungen mit verschiedenen Kaffee- und Teesorten. Vor mir steht eine volle, durchsichtige Teetasse mit rotem Tee darin (Rooibos), daneben ein Untersetzer mit Löffelchen und gebrauchten Teebeutel darauf. Am Nachbartisch sitzt ein Mann, der in sein Handy starrt. Er hat ebenfalls eine Teetasse mit rotem Tee darin vor sich stehen.
Farben – Beige, Orange, Echtholz, Kunstholz, Sand, Rost, warmes Licht, Schwarz, Grau, Rot, Weiß. Bunt ist die Speisekarte, die auf einem digitalen Bildschirm an der Wand präsentiert wird. Ebenso der Kühlschrank und die Kleidung der Konsumenten.
Materialien – Beton, Metall, Glas, Kunststoff, Stoff, Keramik, Holz, Messing, Lebensmittel.
Geräusche – Unterhaltungen der Gäste und des Personals, Bestellungen der Gäste, Schlüsselklimpern, klirrendes Besteck auf Keramik, Stühlerücken, Küchengeräusche (Schritte, Zischen, Hacken, Waschen), eine sich schließende Türe, entspannte Hintergrundmusik.
Gerüche – Sowohl süß (Zucker und Zimt) als auch salzig (Fett, Pizza und Sesam)
Was tut sich in der Bäckerei?
Seit ich hier sitze ist es draußen dunkel geworden. Straßenlichter gingen an. Autolichter scheinen heller. Die Umgebung sehe ich nur noch schemenhaft. Kunden kommen und gehen. Manche kaufen nur etwas und gehen sofort wieder andere setzen sich und trinken etwas.
In der Bäckerei arbeiten vier Personen (denke ich). Zwei Frauen und zwei Männer.
Ein Kunde bestellt gerade etwas.
Ein weiterer räumt sein Geschirr in den dafür vorgesehenen Wagen und geht.
Eine Person mit einer großen Dose Gulaschsuppe in der Hand geht am Fenster vorbei.
Der Mann gegenüber von mir hat weiße Haare und einen Schnauzer.
Draußen fahren sehr regelmäßig Autos, Mopeds, Lieferwägen und Busse vorbei.
Mein Teeglas ist fast leer.
Eine Mitarbeiterin räumt auf seit ich hier bin.
Es ist etwas zu kalt. Die Tür steht offen.
Mittlerweile ist es stockdunkel. Es ist 17:46.
An meinem Tisch stehen zwei Jungen und spielen.
Ansonsten leert sich das Lokal. Es sind (inkl. meinem) drei Tische besetzt.
Der Mann mit dem Schnauzer und sein Freund räumen ihre Sachen weg und verlassen den Laden.
Die Verkäuferin schichtet Brot und Gebäck nach.
In der Küche steht eine neue Mitarbeiterin, die ich bisher noch nicht gesehen habe.
Mittlerweile bin ich die einzige Kundin hier.
Der 3er Bus fährt vorbei.
Mir wird kälter.
Wie lange haben die hier offen?
Es ist 18:15.
Was hat sich verändert in den letzten zwei Stunden? Nicht viel. Unterschiedliche Kunden. Es ist dunkel geworden. Die Stimmung ist anders. Die Temperatur auch.
Es sind sechs neue Kunden im Geschäft. Alles Männer. Sie reden alle miteinander (kennen sie sich?) in einer Sprache, die ich nicht verstehe (türkisch oder arabisch?).
Der Mann hinter mir hustet.
Die Mitarbeiterin putzt noch immer.
Wie funktioniert dieser Ort? Habe ich ihn zu Gänze erfasst? Hätte ich beim Erfassen strukturierter vorgehen sollen/können? Was macht diesen Ort aus?
C: MÜHLENKLAUSE
Es ist kalt, die Tür steht offen und der dicke braune Vorhang stand einen Spalt breit auseinander, durch den der Wind hereinwehte
Radionachrichten. Es können Plastikflaschen gespart werden.
11C
Der Mann am Tresen stellt die Holsten Edel 0,3l Flasche hinter den Tresen. Die Frau am Spielautomaten gewinnt 60 Cent. Eine andere Frau kommt herein und wirft Geld in den Sparklub.
Es entsteht eine Unterhaltung am Kinderwagen vor der Bar.
Ich nehme einen Schluck löslichen Filterkaffee.
Der Mann übernimmt das Automatenspiel.
Die Asche an der Zigarette des Wirts wird immer länger.
Es ist nur in vorderen Teil des Ladens hell, nach hinten hin wird es immer dunkler.
Die Geräusche des Spielautomaten und des Radios mischen sich. 69 Cent für 250g Rispentomaten. Hamburg deine Stadt.
Rewe dein Markt.
Die grünen und roten Punkte der Lampe bewegen sich an der Decke.
Die Euromünze fällt durch den Automaten. Weiter füttern.
Ein Mann geht draußen an der Bar vorbei. Drinnen ist braun die vorherrschende Farbe.
Der Wirt ist auf den Tresen gelehnt.
80 Cent Gewinn für 4 Orangen.
Zwei Personen mit weißen Haaren studieren die ins Schaufenster gehängte Karte.
Es ist 16.45
Es waren doch 5 Orangen
Die beiden weißhaarigen Personen kommen herein, setzten sich in die Box neben mir und bestellen ein kleines und ein großes Warsteiner.
Sie bestellen auf Englisch. Bierzapfen und Denglisch sprechen.
Blauer Dunst am Tresen. 10 Bierdeckel auf meinem Tisch.
Die Frau am Tresen sagt, sie werde gut schlafen. Korn und Fanta fließen über Eiswürfel in ein Glas. Der steht auf dem Tresen und wartet darauf getrunken zu werden. Ein schwarzer Lieferwagen fährt vorbei.
Zisch, ein neues Becks Green Lemon steht auf dem Tresen. Die beiden Warsteiner werden serviert.
70 Cent Trinkgeld
5,70€ in den Automaten
Die Schaumkrone auf dem Warsteiner wird kleiner. Hugo Boss Hose und schwarzer Hoodie. Stöhn nicht so! Ist das der Björn? Björn bekommt ungefragt ein Bier.
Die Pflaumen haben es gemacht. 52€ Gewinn, hätten aber auch 84 € ein können.
Vor und hinter dem Tresen werden Zigaretten angesteckt.
Eins nach dem anderen fallen Geldstücke aus dem Automaten. Die Menschen am Nebentisch schauen sich erstaunt um. 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10 Geldstücke rasseln aus dem Automaten. Der Fako ist leer
Es ist 17.00 Uhr
Ein neuer Fako inklusive Bartenderwitz. Das Glas ist kaputt, war geschüttelt nicht gerührt.
2 Zigaretten gehen an.
Ich gehe auf die Toilette. Die Weihnachtsfeier des Sparclubs ist am 7.12. Das Obst dreht sich wieder.
Björn verlässt wortlos die Bar, die Holsten Edel Flasche steht weiterhin am Tresen. Im Radio läuft September von Earth, Wind and Fire. Björn kehrt mit einer Schachtel Zigaretten zurück. Die beiden Warsteiner werden bezahlt und zurückgebracht.
Das Pärchen am Nebentisch steht auf, greift die Plastiktragetaschen und verlässt mit einem gut gelaunten „See you tomorrow“ die Bar.
Ich denke über den Code des Spielautomaten nach. Eine Zigarette geht an. Die Frau wechselt regelmäßig zwischen Tresen und Spielautomat.
Es werden Kisten geräumt und ein trockenes Husten ist zu hören. Eine Zigarette wird angezündet. Es ist 17.20 und es wird langsam immer dunkler draußen.
Draußen laufen die Menschen zielstrebig ihrem zu Hause entgegen während drinnen ein neuer Eiswürfel ins Glas kommt und so einem neuen Fako den Weg bereitet. Eine neue Zigarette und die Feststellung, dass die Grippezeit anfängt. „Das müsste man Greta mal sagen, dass man sich im eigenen Auto nicht mit Grippe ansteckt“. Fachsimpeleien über das richtige Fako Mischverhältnis.
Gudrun kommt mit 2 Jutebeuteln bepackt herein. Sie wurde von ihrem Sohn gefahren. Die Aschenbecher am Tresen werden geleert und Gudrun trinkt eine Astra Rakete.
Eine Zigarette am Tresen.
Das Warsteiner Schild im Fenster leuchtet rötlich. Gudrun macht Notizen in ihrem Smartphone. Ich sehe einen Fleischwolf, zwei Holzengel, Musikinstrumente eine Zigarette am Tresen. Es ist 17.38
Radiowerbung und es ist immer weniger zu erkennen draußen. Gudrun macht die Türe zu. Sie ist jetzt nur noch einen Spalt breit offen. Eine Zigarette hinter der Bar – bereits zur Hälfte geraucht. Ich fühle mich beobachtet und mir ist kalt. Das Paar am Tresen geht nach Hause. Es bleiben, Gudrun, Bernhard, Björn und ich.
Björn stellt fest, dass sich außer dem Wetter nicht verändert.
2 Zigaretten am Tresen. Eine frisch eine schon zur Hälfte geraucht. Ich habe den Eindruck, dass alle Anwesenden außer mir hier arbeiten. Geschichten über die jungen Leute werden erzählt. Björn hatte um 6 den Laden zu gemacht und seinen Schlüssel vergessen.
Mann geht draußen vorbei und beißt in seinen Döner und ich denke, ich habe zu wenig konsumiert für meine zwei Stunden hier.
Ein Briefumschlag und Geld wird verpackt. Schichtwechsel. Gudrun übernimmt, draußen sehe ich rote Bremslichter und gelbe Blinker.
Björn geht, Bernhard hält noch ein Schwätzchen und geht dann auch. Ich bin der einzige Gast. Ich mache eine Klopause.
Es ist 18.05. Durch den Schlitz im Vorhang sehe ich eine weiße Plastiktüte. Das Telefon klingelt zweimal und Gudrun geht mit einem Hallo, na? ans Telefon.
An der Wand ein DIN A 4 Blatt „letzter Spartag, der 18.11.2019“ Das Warsteiner Schild reflektiert sich im Spielautomaten. Gudrun füllt ihre Rakete in ein Glas und verstaut es. Ein Zigarillo hinter der Bar.
Ich nehme den letzten Schluck kalten löslichen Instantkaffee.
Ich höre ein Husten, es kam aus Gudruns Smartphone. Baby Baby it‘s a wild world tönt aus dem Radio.
Feine Rauchschwaden hängen in der Luft. Sie werden vom Warsteiner Schild und dem Spielautomaten angestrahlt. Es herrscht eine ruhige fast klerikale Atmosphäre.
Ich bezahle meinen Kaffee.
18.30 es ist still. Ich gehe
D: HELLES TREFF
20:00 – 22:00 // meine Notizen
Ich war an diesem Ort so spät, weil mein Freund die Bar im Netz angesehen hat, er mir dahin zu weit zu gehen empfahl. Es war dort sehr rauchig, nur drei alte Männer und eine Frau-Barkeeperin. Obwohl ich mit meinem Freund war, fühlte ich mich sehr unangenehm. Diese Bar ist eine kleine lokale Kneipe für die Nachbarschaft. Es gab keine seltsame Blicke auf uns, nur einer der Männer sagte leise, dass die Russen gekommen sind.
Der Raum stinkt so stark nach Zigarettenrauch, dass ich nicht ruhig am Tisch sitzen kann. Die Barkeeperin raucht und guckt ab und zu auf uns. Wir sitzen in der Ecke, die drei Männer gegenüber an der Theke. Einer von denen kommt ab und zu zum Spielautomaten, die neben unserem Tisch stehen, und klickt etwas auf dem Bildschirm. Rasch kommen zwei neue Frauen, sie begrüßen die Männer, sowie die Barkeeperin. Es sieht so aus, dass sie alle gut miteinander befreundet sind. Eine von beiden Frauen ist extra zu uns gekommen, klopfte auf den Tisch und grüßte uns auch. Die neugekommenen Damen nehmen den Platz an der Theke, quatschen und trinken Kurze. Der Mann ist wieder am Spielautomaten, keine Ahnung war er da macht. Er wirft manchmal Münzen rein, es scheint aber so, dass damit nichts passiert.
Ich bekomme das Gefühl, dass Zigarettenrauch meinen ganzen Körper gesättigt hat und in meinem Hals steckte. Ich sehe, dass alles hier sauber ist, es gibt viele Blumen auf den Fensterbänken. Das Interieur ist lustig ausgestattet: zwei große Puppen hängen am Zapfhahn. Die Wände sind mit vielen Pokalen dekoriert, es gibt außer dem Spielautomaten noch einen Musikautomaten. Die Atmosphäre hier ist wie in amerikanischen Filmen. Mittlerweile kam noch ein neuer Besucher, begrüßte den Mann an den Automaten und setze sich an die Theke.
In der Stunde ist die Musik lauter geworden. Es gab sowohl deutsche Lieder als auch amerikanische, Country-mäßig. Von mir aus sehen alle diese Leute an der Theke einsam aus. Sie sind alle über 50 Jahre alt. Vermutlich kommen sie hierher jeden Abend, um einfach nach der Arbeit zu Hause nicht allein zu sein. Sie sind höchstwahrscheinlich alle aus Rothenburgsort.
Es wird später und zwei Damen verabschieden sich von allen an der Theke sowie von uns, wünschen einen guten Abend und gehen. Es ist schon viertel vor 22 Uhr, die restlichen Gäste zahlen auch und verlassen die Kneipe. Zwei Männer sind geblieben. Der Mitarbeiter wischt den Boden. Die Musik ist sehr melodisch und angenehm, aber vom Tabakrauch schmerzt mein Kopf.
Die Barkeeperin hat schon den Automaten und das Licht in unserer Ecke ausgemacht, die Lichtketten an Fenster bleiben aber an. Die Männer rauchen wieder und wieder, lachen mit der Barkeeperin. Ich habe das Gefühl, dass sie lediglich auf uns warten, um die Bar abzuschließen. Wir wurden gebeten langsam zum Schluss kommen, dies machen wir gerne.
// Notizen von meinem Freund
Ich kam mit meiner Freundin um 20:00 Uhr an. Obwohl in der Kneipe außer 3 Besucher nur eine dicke Barkeeperin am Tresen war, war der Raum vollgeraucht. So stark verraucht, dass man ab der ersten Minute diesen Ort verlassen will. Da ich seit 3 Jahren in Deutschland (Hamburg) wohne, konnte ich mir ganz gut so einen Ort vorstellen. Doch freiwillig gehe ich nicht dahin. Es ist eher ein Zwang mich die alte Gesellschaft einer sehr alten Kneipe anzuschließen.
Angenehm kann ich das nicht nennen. Die Musik wie Blondie oder Avril Lavigne macht die Stimmung ein bisschen besser. Die Besucher rauchen eine nach einer. Die Zeit ist hier gestoppt. Keine Hektik, nur die Lichtketten an Fenster erzeugen ein bisschen Dynamik. Paradoxal scheint die Kneipe sauber, sie ist einfach so archaisch und altmodisch wie Lenin im Mausoleum aber gut gepflegt. Hier treffen sich nur die alten Stammgäste. Je später es wird desto mehr Leute kommen rein. Innerhalb einer halben Stunde werden es zwei Frauen mehr. Alle erscheinen mir wie alte Trinker, keine Ahnung wie viele Abende sie hier schon verbraucht haben. Die Musik wird lustiger und lustiger, die Leute im Gegensatz dazu nicht.
Hier spürt man eine komplett andere Atmosphäre, hier befindet sich ein Schutzgebiet für diejenige, die aus unterschiedlichen Gründen sehr stark mit diesem Ort verbunden sind und hier vielleicht versuchen ihre Einsamkeit zu verdrängen. Mit zwei Frauen ist der Ort ein bisschen lebendiger, diese versuchen mehr zu quatschen. Neue Besucher sind hier eher eine Ausnahme. Daher kennen sich die Besucher sehr gut, eine Frau hat uns durch Klopfen auf den Tisch begrüßt. In modernen Kneipen ist es übliche keinen freien Platz mehr zu bekommen, hier ist komplett anders. Die Tische sind leer, die Gruppe sammelt sich nur am Tresen. Ein Mann kommt ab und zu zum Spielautomaten, wirft Münzen ein und geht wieder zum Tresen. Durch diese Aktion scheint er in dieser Welt verloren. Was macht er hier in diesem Leben? Der ganze Abend interessiert er sich nur für diesen Automaten.
Ich spüre an dem Ort irgendeine Nostalgie über 90er. Die Musik verstärkt dieses Gefühl. Der Rauch ist kaum zu ertragen. Hier ist kein Raum für die Zukunft, hier ist definitiv der Raum der Vergangenheit. Die Stammgäste beginnen über etwas zu diskutieren, an den Wänden hängen komische Gegenstände, die als Deko dient. Mittlerweile schon als Retro-Deko. In einer Stunde kam noch ein Gast und grüßte den Mann am Automaten. Sind die Gäste hier glücklich? Eigentlich sollte dieser Ort Spaß machen. Mir scheint aber, dass dieser Ort eine Art Trostpflasters ist. Hier fühlt man sich einfach nicht allein. Am Ende des Arbeitstages kommen die Nachbarn, um ein Gefühl des Gemeinsamen zu erleben. Wirtschaftlich ist der Ort auch nicht erfolgreich, trotzdem existiert er.
Am Abend wird Fußball gespielt, keiner der 7 Personen interessiert sich dafür. Hier ist der Ort zum Biertrinken, Rauchen, Zeit zusammen vorbeiziehen zulassen. Nur der Alkohol berauscht ein bisschen. Hier spürt man den Versuch sich das Leben zu versüßen, manchmal klappt es, manchmal bleibt die Atmosphäre einfach wie sie ist, am Rande der modernen Welt. Alle sind über 50, die Hälfte des Lebens und junge Jahre sind vorbei. Kein Bestreben zur Zukunft ist deutliches Zeichen dieses Orts. Die Sofas sind auch über 50. So passen sie zu einander, beide sind alt, alt ohne Hoffnung auf die Erneuerung. Das ist nicht gut und nicht schlecht, es ist wie es ist. Der Raum ist sehr dunkel, man braucht kein Licht, wenn keine Lebensperspektive erscheint.
Vielleicht und sehr wahrscheinlich war früher hier alles anders - viel Freude. Ich kann mir Tanzen, Kickern, Darts gut vorstellen. Heutzutage spürt man das nicht mehr, der Ort ist wie ein Dorf, aus dem alle weggezogen sind. Die Frau mit der Plastiktüte hat sich von allen verabschiedet und geht nach Hause. Der Typ, der am Automaten gespielt hat, geht auch. Die restlichen Gäste bezahlen auch, anscheinend schließt es um 22 Uhr. Einer, der am Tresen saß, beginnt aufzuräumen. Die Barkeeperin lässt nur das Licht am Tresen an, so nähert sich ein dürftiger Abend dem Ende. Anspruchslos, mit Musik aus den 90ern, ohne Lebensperspektive. Traurig kann man dies auch nicht nennen, es ist einfach das Gefühl vom Leben am Rand.
E: Bank an der Spitze der Entenwerder-Landzunge
Wetter: klar und kalt, wenig Wolken, ein kleiner Rest Sonne
Es ist 16:30 Uhr
Ich sehe:
Das Holiday Inn
Eine breite Straße die ununterbrochen befahren wird
Wasser, ein Kanal über den eine Fußgängerbrücke führt
39 Bäume, Sträucher, Schilf, Gras, Erde
Geländer, Stufen, Wege, Steine, Fußwege, Mülleimer
Autos, circa 50 Stück
Einen Radfahrer in Sportkleidung
Einen Jogger in einem grünen Trikot
Möwen versammeln sich auf dem Wasser und ziehen dann in großen, lockeren Trupps nach Westen, es sind vor allem Lachmöwen
Ein paar Bänke entfernt sitzt ein Mann mit einem schwarzen Fahrrad
Eine Frau und ein Windhund gehen spazieren, beide sind hager und tragen schwarze Mäntel
Ein Mann betritt die Halbinseln und durchsucht die Mülleimer
Zwei Hundebesitzerinnen rufen nach ihren Hunden, zwei braunen Terriern. Der eine heißt Leon
Eine Frau und ein Mann spazieren vorbei, sie trägt eine rote Jacke und eine blonde Igelfrisur, im Vergleich zu den anderen Spaziergängern ist das sehr farbenfroh
Ein Mann läuft hinter mir vorbei und telefoniert mit dem Handylautsprecher in einer Sprache, die ich nicht verstehe
Von den Schienen hinter der Straße kommt ein metallisches Kreischen und Zuglärm
Es wird dunkel, die Menschen in den Autos sind nicht zu sehen
Graugänse ziehen vorbei
Ein Hund mit einem leuchtenden Halsband bellt einen Busch an aus dem Blaumeisen schimpfen, der Besitzer spricht mit dem Hund wie mit einem Kleinkind
Ein tieffliegendes Flugzeug
Zwei junge Frauen mit weißen Turnschuhen
Immer wenn ein Auto wendet fahren die Scheinwerfer über die Halbinsel
„Noerpel bringt‘s“ steht auf einem der LKW, ansonsten ist die einzige Schrift, die ich lesen kann, das Zeichen des Holiday Inn
Ein Mann läuft die Stufen zum Wasser runter und wieder hoch, er scheint zu warten
Es wird dunkel und kälter
Der Mann auf der anderen Bank ist gefahren ohne, dass ich es mitbekommen habe
Eine Familie fährt mit Fahrrädern hinter mir vorbei ein Kleinkind sitzt im Fahrradanhänger und singt ein Lied, dass es unterbricht, wenn der Anhänger über einen Stein rumpelt
Der Mann, der eben am Wasser war, ist immer noch da, er setzt sich auf unterschiedliche Bänke und läuft in Kreisen um die Bankreihe
Es ist langsam so dunkel, dass ich nichts mehr sehen kann und es wird immer kälter. Ich setzte die Beobachtung im Café Entenwerder1 fort
F: HINDU TEMPEL
- Singen
- Musizieren
- Beten
- Trauern
- Aufräumen
- Kochen
- Essen
- Trinken
- Weihrauch anzünden
- Kerzen anzünden
- Glocke läuten
- Milch gießen
G: WINDFANG PUB
28.10. 16.30-18.30
Die Bar ist für nicht-Hotelgäste schwer zu finden.
Von weitem halte ich Leihfahrräder für eine Abstellmöglichkeit für mein Rad, muss es letztendlich am Personaleingang abstellen. Außer meinem Fahrrad stehen hier zwei andere.
Durch die Rezeption des Holiday Inns komme ich in die Bar. Hier sind vier Menschen: Zwei Mitarbeiter in Uniform und ein älteres, ordentlich gekleidetes Paar. Sie trinken Bier und Sekt und unterhalten sich leise. Die Frau summt zu „get lucky“ mit.
Die Mitarbeiter unterhalten sich lachend.
Der Pub hat viele Fenster. Sie zeigen jedoch nicht nach draußen, sondern in vier umliegende Flure. Er ist fast überall mit hellem Holz verkleidet. An vielen Stellen hängen Seefahrts-Dekoelemente: Bilder von Schiffen, ein Steuer-etwas, ein Schiffsbug mit einer halbnackten Meerjungfrau.
17 Uhr: Einer der Mitarbeiter fotografiert eine mit Halloween-Kürbissen dekorierte Auslage von 6 Stücken Blechkuchen und einem Ständer mit Brezeln.
Niemand beachtet, dass ich mir permanent Notizen mache. Ich werde, nachdem ich einen Tee –das einzig bezahlbare auf der Karte– bekommen habe, freundlich in Ruhe gelassen.
17.15 Uhr: Das Paar geht. Ich bin der einzige Gast im Laden. Einer der Mitarbeiter ist ebenfalls verschwunden. Der andere verbringt seine Zeit damit kleine Aufgaben sehr akkurat auszuführen: er rührt seit etwa fünf Minuten etwas um.
Es laufen ständig Hotelgäste am Pub vorbei, nur hier drin passiert nichts. Die meisten sind geschätzt über 60, ab und zu ein Teenager in Begleitung der Eltern.
Ein Paar betritt die Bar, die Frau sagt „schön hier“. Dem Akzent nach kommen sie aus Süddeutschland. Sie bestellt etwas zu essen, er nur Bier.
Die Kerzen auf den Tischen sind elektronisch.
Die Getränke der beiden werden serviert. Bananensaft wird hier mit einer Erdbeere am Glas garniert.
Ich zähle 53 Lampen in der Bar, obwohl es nicht sehr hell ist. 12 davon sind ausgeschaltet.
17.39 Uhr: Es füllt sich langsam; Eine Gruppe von drei Menschen hinter mir, ein weiteres Paar und ein Mann, der sich alleine an die Bar gesetzt hat. Alle sitzen so, dass ich sie trotz meiner zentralen Position kaum sehen kann.
Der zweite Mitarbeiter ist wieder da. Er bringt der Frau ihren für über 10 € ziemlich kleinen Salat.
Der Mann an der Bar hat sein Bier in genau dreieinhalb Minuten ausgetrunken und ist direkt wieder verschwunden.
Zwei weitere Männer setzen sich –mit einigen Stühlen Abstand– an die Bar und trinken Bier. Einer spielt mit seinem Handy.
Der Service ist sehr zurückhaltend. Ich frage mich ob das der Reiz von Hotelbars ist: dass niemand mehr mit Fremden kommuniziert als nötig und man sich überall den anderen Gästen entziehen kann. In Filmen wird das immer ganz anders dargestellt.
Ein weiterer Mann hat sich alleine an die Bar gesetzt und ein Bier bestellt. Ich frage mich, ob die vielen Barhocker wohl die Funktion von Abstandhaltern oder Sitzmöglichkeiten haben sollen.
Die Toilette befindet sich außerhalb der Bar im Hotelbereich und nach knapp zwei Stunden fühlt es sich an, als würde man einen Mikrokosmos verlassen und in einen anderen eintreten.
Ein Mann kommt alleine in die Bar und ich merke meine Enttäuschung als er das Muster durchbricht und sich nicht an die Bar setzt. Er begrüßt den Barkeeper mit Handschlag. Er trinkt auch kein Bier.
Einer der Männer an der Bar ist gegangen und hat das Geld für das Bier auf dem Tresen liegen gelassen. Seine gesamte verbale Interaktion hat sich auf die Bestellung beschränkt.
H: KIOSK 22
„DIE WELT WIRD IMMER SCHLIMMER UND JEDER HAT EINEN KÖTER.“
Klipp klapp – Ein Holzbrett liegt zwischen Gehweg und Eingang des Kiosk 22. Bei jedem Betreten klappert das Brett zweimal hin und her. Der erste Eindruck vom Laden ist unübersichtlich, es gibt zwei Tresen. An dem einen wird mir ein Kaffee verkauft. Ich zahle an der Kasse und nehme mir selbst aus einer großen Thermoskanne, die am Eingang neben der Tür steht. Der zweite Tresen ist ein DHL/Post-Shop. Ich setze mich mit meinem Kaffee vor den Laden. Neben mir wird schäumend eine Dose geöffnet – dann Piepen von einem ATM, Schritte. Anzugschuhe klingen auf dem Holz ganz anders. Aus dem Dönerladen höre ich metallenes Schaben und Männer unterhalten sich. Etwas schäumt, wie eine Milchschaummaschine im Café. Klipp klapp, eine junge Frau steigt schneller auf das Holz. Die Schritte eines alten Mannes dagegen lösen gar kein Klappern aus.
„Tschüss“, jemand verlässt den Dönerladen. Schritte an mir vorbei, Autotüren klappern. „Moin du Kratzer“. Die Bank auf der ich sitze ist weich, schwarzes Kunstleder. Beim Paket vorbeitragen knistert eine Plastikverpackung. Eine Frau wartet auf diesen Kunden, im Auto mit laufendem Motor, quer in der Kurze abgestellt. Seit und vor der jungen Frau waren hier nur Männer unterwegs. Autos um Autos rollen links auf der Straße vorbei, es wummert wie ein Bass eines entfernten Festivals. Jetzt höre ich einen Zug. Die Männer neben mir freuen sich, dass sie hier ganz entspannt rauchen dürfen: „In Szenelokals darf man das ja nicht mehr.“.
Tick, tick, tick – die junge Frau fährt auf ihrem Rennrad weg. Ein Mann mit Mütze und Sonnenbrille geht vorbei, jetzt bereten zwei Kunden mit einer Frau den Laden. Von nebenan rauscht es wieder. Aus dem Laden knistert es wie diese weißen Plastiktüten knistern. Wie ich sehe hat jemand Essen zum Mitnehmen geholt. Dann kommt jemand mit einer Styropor Essensbox aus dem Dönerladen und verstaut diese im Auto.
Das Rauschen, das sehe ich jetzt, geht dem metallenen Schaben vorweg und ist ein Fleischschneidegerät. Manche Teile schneidet der Mann trotzdem mit einem Messer, es kratzt über den Rand.
Rauschen, schaben, dann wieder ein Zug, ein Auto fährt vorbei. Erstaunlich, dass bei einigen das Holz gar nicht klappert. Vielleicht treten nicht alle auf der selben Stelle auf. Auf der Bank neben mir liegt wie als Schutz gegen die Kälte ein Pappestück. Ob hier jemand nachts schläft? Die Männer neben mir stellen fest: „Kein Aldi ist so beschissen wie unserer,“ Ein Fahrzeug der Stadtreinigung blinkt, jemand mit einer gelben Plastikkiste betritt den Laden. Wir sitzen hier jetzt zu dritt, Psch, geht die Dose auf. Die Pappe wurde zur Seite geräumt.
Jemand balanciert zwei Umzugskartons und ein Paket mühevoll in den Laden. Die Männer neben mir fachsimpeln über das Klappern: „das war heute morgen schon so.“, „Er hat das Samstag gemacht“, „Dafür brauchen wir noch ein paar Bier“, „Fünf Zentimeter Materialstärke sind einfach zu wenig“.
...